Den Geist des Respektes und der Toleranz fördern – wie neu ist das denn?

In meinem Blog geht es um coole Innovationen. Aber was ist daran neu, den Geist des Respektes und der Toleranz angesichts des norwegischen Terroraktes zu fordern? Nun, seht es selbst!

Auf einer Art ist es für Christen überhaupt nichts Neues. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder christliche Theologie in, bzw. Ideologien, die in christlichem Gewand Ausgrenzung fordern oder fördern. Es ist in der Geschichte zu beobachten. Aber auch heute gibt es solche Strömungen.

Das Attentat das in Norwegen und in der ganzen Welt zu solchen Entsetzen sorgte, fordert uns heraus ganz neu über die gedanklichen Hintergründe nachzudenken, denn der Täter hat eine 1500 seitige Rechtfertigungsschrift verfasst. Dazu ist viel schon kommentiert worden. Ich begrenzte mich auf wenige Aspekte:

  • Wie christlich-fundamentalistisch ist die Begründung?
  • Welche Denkmodelle stehen uns zur Verfügung um Integration zu beschreiben?
  • Wie nötig ist eigentlich eine Integration Debatte für unsere Situation?
  1. Ist eine christliche Position für Terror denkbar!?
    Sicherlich nicht!  Christlich im wörtlichen Sinne zu Christos passen ist eine Position, die die Schlüsselbotschaft von der Feindesliebe Jesu Christi ernst nimmt. Denn darin gipfelt seine Definition von Liebe. So hat das Jesus in seiner Bergpredigt formuliert und  Paulus in seinem berühmten Römer Brief Kapitel 5, wo sich die Liebe Gottes darin ausdrückt, dass er uns liebte, obwohl oder trotzdem wir Feinde sind.  So finden wir im Neuen Testament  keine einzige Position, die zum gewaltsamen Angriff auf Feinde (welcher Art auch immer) aufruft.  Selbst christliche  Lehren, die den Krieg rechtfertigen müssen sich mit  der Lehrer von dem Kirchenvater Augustin über den gerechten Krieg auseinandersetzen.  Darin geht es darum, dass selbst im  mörderischsten „Geschäft“,  dem  Soldaten  nachzugehen haben,  menschliche Grenzen und Regeln der Humanität zu gelten haben.  Es gibt keine christliche Option für Gewaltanwendung, die nicht als „Sünde“ gelten würde.
  2. Welche Denkmodelle stehen uns zur Verfügung um Integration zu beschreiben?
    Die Auseinandersetzungs-Linie  lässt sich oft zwischen den Positionen Separation und Integration  ziehen. Es gibt aber noch weitere Spannungspole. Ich beziehe mich auf den Artikel „Implosion, aktuelle Herausforderung für Theologie und Kirche, im Deutschen Pfarrerblatt Heft 6/2011 111. Jahrgang, von Wolfhard Schweiker Seite 296 bis Seite 300.
    Aus der Perspektive der behinderten Pädagogik kann man mit dem Schweizer Heilpädagogen Alois Bürli international 6 Entwicklungsstufen unterscheiden:

    • Extinktion (Töten)
    • Exklusion
    • Separation
    • Integration
    • Inklusion
    • Vielfalt als Normalfall

    Deutschland   weiß sehr gut durch die Euthanasiemorde im Nationalsozialismus  geschichtlich etwas von Tötung des Fremden. Da sind wir sensibel. Erstaunlich genug ist in Deutschland aber die Diskussion zur Integration erst heute wieder frisch politisch in Gang gekommen. Warum schlagen die Deutschen sich so mit der Überfremdungsangst herum (siehe Sarrazin)?  Kanada ist dagegen eine eher integrationsfreudige Nation.  ein Symbol dafür: die Nationalhymne der Kanadier darauf in der jeweiligen Muttersprache gesungen werden, also in deutsche Deutsch-Kanadier  und Russisch für Russisch-Kanadier.  In den USA oder Deutschland wäre das undenkbar! Warum sind wir eine Gesellschaft in der Separation des Fremden (z.B. nur 18 % der Schüler mit Förderbedarf sind im normalen Schulen, einen 82 % besuchen eine Sonderschule (Separationsquote!). An diesem Beispiel allein zeigt sich der hohe Grad an Separation, also die Stufe vor der Integration, in unserer Gesellschaft.
    Durch die UN-Konvention über Rechte von Menschen mit Behinderung ist die Debatte über  Inklusion  in vollem Gange.  im März 2009 wurde sie durch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Die so genannte behinderten Rechtskonvention stellt kein Sonderrecht von Menschen dar, sondern ist die Konkretion eines allgemeinen Menschenrechts auf Bildung, Teilhabe und Gleichbehandlung für diese Personengruppe in allen Lebensbereichen. Mit ihr verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland unter anderem, eine inklusive Bildungssystem auf allen Ebenen und gleiche Wahlmöglichkeiten zu gewährleisten.

    • Inklusion-eine Begriffsklärung

    der Inklusionsbegriff wurde kurz nach der Jahrtausendwende als Alternativbegriff zur Integration in die wissenschaftliche Diskussion der Pädagogik eingeführt. Das Integrationsdenken geht noch (teilweise) von dem  dichotomen Denken einer 2-Gruppen-Theorie aus.  es gibt eine (defizitäre, a) Gruppe mit uns eine (mehrheitliche) Gruppe ohne. Zum Beispiel sollen einzelne Personen mit Migrationshintergrund in eine Mehrheitsgruppe ohne Migrationshintergrund integriert werden.
    Beim Inklusionsbegriff, der mit „Einbeziehung aller“ übersetzt werden kann, wird das Denken in normalen und unnormal überwunden. Motto: normal ist, verschieden zu sein. Damit kommen bei der Inklusion alle tatsächlichen und zu beschriebenen Unterschiede von Menschen in den Blick, auch Alter, Geschlecht, sexuelle Neigung, Begabung bzw. Behinderung, Kultur bzw. Ethnie und Religion. Die gleiche Wertschätzung von Verschiedenheit der zum grundlegenden Prinzip. Kurz gesagt: Alle verschieden – alle gleich! Inklusion ist die gelebte Erkenntnis, dass jeder Mensch einzigartig ist und diese Individualität für die Gemeinschaft belebend und bereichert wird.

  3. Wie nötig ist eigentlich eine Integrations-Debatte für unsere Situation?
    Wir müssen feststellen, dass die Inklusion, wie theologisch zum Beispiel von der Annahme sogar des Feindes christlich begründbar ist, in unseren Gemeinden noch lange nicht  den Alltag prägt.
    Wie viele „Fremde“ (Behinderte, ausländischer Mitbürger, Deutsche mit mit Migrationshintergrund)  sind denn in der normalen Gemeinde wirklich vertreten?  Wie viel offensichtliche oder versteckte Überfremdungsangst im Blick auf „künftige Islamisierung Deutschlands“ herrscht unter uns?  Eine Gemeinde, die nicht ein Ghetto für eine besondere Subkultur sein möchte,  muss sich theologisch unpraktisch dieser Aufgabe stellen, wie Inklusion zu verwirklichen ist.
    Nun als Ausblick einige kurze Zitate aus dem Artikel:

Inklusivepädagogik versucht die Lern Bedingungen so zu gestalten, dass jede Person in ihrer unverwechselbaren Einzigartigkeit unabhängig von Fähigkeiten und uns Fähigkeiten als vollwertiges Mitglied wahrgenommen und unterstützt wird.

Die christliche Botschaft bietet eine Grundhaltung und ein Hoffnungs-Potenzial, das den Entwicklungsprozess hin zu einer intensiven Gesellschaft wesentlich motivieren kann.

Die Gemeinschaft als „Leib“  ist nicht hierarchisch strukturiert, sondern wie ein Kreis auf die Mitte ausgerichtet bzw. auf Christus als das Ganze. Alle haben zum Zentrum den gleichen Zugang wie Abstand.

Ob Inklusion nun durch eine Angleichung nach oben (Schöpfungstheologisch) oder durch eine Angleichung nach unten (Christologisch) begründet wird, ist nicht entscheidend.

 

Der Theologe Wolfhart Pannenberg, formuliert einen interessanten Gedanken dazu in seiner systematischen Theologie Bd. 1:

„In der Tat ist der Gedanke einer Einheit der Menschheit, über den Umkreis der eigenen Kulturwelt hinaus, seinerseits nicht selbstverständlich. In einer Hochkultur wie dem alten Ägypten waren „Menschen“ wie in Ägypten lebenden, die an die er dort von den Göttern begründeten Lebensordnungszeit hatten.… Jedenfalls ist das auftreten des Gedankens einer Identität des Menschen über die Grenzen der eigenen, religiös bestimmten Kulturwelt hinaus nicht selbstverständlich, so selbstverständlich er dem Erben der von biblischer und hellenistische Überlieferung geprägten Kulturwelt geworden sein mag. Die Einheit der Menschheit im Sinne einer prinzipiellen Gleichheit der Glieder aller Kulturen, Völker und Rassen hinsichtlich ihrer Bestimmung als Menschen ist ein Gedanke, der selber geschichtliche Voraussetzungen hat. Sie dürften eng mit der Herausbildung monotheistisch Auffassungen zusammenhängen.“ 165f

„Der Gedanke der Einheit der Menschheit ist allerdings in der Moderne, im Prozess der Säkularisierung der modernen Kultur, von seinen religiösen Wurzeln gelöst worden. Dabei blieb er zunächst noch gebunden an den einen Gott der natürlichen Religion, bis schließlich die Idee der Menschheit selber zur Basis des Gedankens der Einheit der Religionen unbeschadet ihrer unterschiedlichen Realisierung in den verschiedenen Kulturen werden konnte. In dieser Entwicklung hat die moderne Religionswissenschaft ihren eigenen  religionsgeschichtlichen Ort.  Damit ist jedoch auch die Frage verbunden, ob der Gedanke der Einheit der Menschheit als Bezugsebene für die Verschiedenartigkeit ihrer Kulturen und Religionen nicht immer noch den Monotheismus als Voraussetzung impliziert.  Die Alternative dazu ist nicht eine politheistische Religion, sondern die atheistische Auffassung des Gedankens der Einheit der Menschheit aufgrund der naturalen Gleichheit aller Menschen. Die Vielfalt der Götter wäre dann nur Produkt der menschlichen Fantasie, die aus diesem oder jenem Grunde sich Götterbilder erschafft. Aber ist es überhaupt möglich, die Einheit der Menschheit und die Gleichheit der Menschen atheistische zu begründen…? 166

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