Veränderungen bei chronisch Kranken?!

Heute hier meine Rezension von: Frauke Bielefeldt, Wie ein Schmetterling im Käfig, Perspektiven für ein Leben mit Krankheit, Gerth Medien
Amazon.de Wie ein Schmetterling im Käfig…
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2005…

Die neue Auflage, 2013, Pulsmedien (ergänzende Rezension unten im Text)

Kurz: ich bin begeistert. berührt. solidarisch. aktiviert…

Warum dieses nun in meinem Blog? Ein innovatives Buch auf mehreren Ebenen… Und die erste: Endlich ein deutsches Buch, das Kranken christlich begründet Mut macht und nicht in die fromme Predigt abrutscht! Ich bin begeistert. Ich bin der amerikanischen Übersetzungen überdrüssig geworden, die mir zwar leicht verständlich (meist mit netten Geschichten, das können sie wirklich gut), aber ohne Berührung mit unserer Kultur, unserem Gesundheitssystem oder unserer Mentalität ihre „gute Botschaft“ bringen wollen.
Frauke Bielefeldt muss ich nicht mühsam enkulturieren, sie ist schon voll und ganz drin: selbst chronisch krank und durch ihr Theologiestudium mit allen wissenschaftlichen Wassern gewaschen, redet sie wie ihr Schnabel gewachsen ist. Diese Buch hat Hand und Fuß und ist zugleich äußerst verständlich – auch für Noch-Nichtchristen.

Wie hat sie das geschafft?

1. Stilvoll:
Wohltuend sachlich und dennoch mit heiterer Beschwingtheit über die Problematik von chronisch Kranken zu schreiben kann wohl nur eine, die selbst durch Höhen und Tiefen (und da vor allem mehr Tiefen) gegangen ist. Seit 15 Jahren kämpft sie sich durchs Leben. Als plötzlich im Alter 17 Jahren ihr Alltag durch eine unerklärliche Müdigkeit und Schwäche verwandelt wurde, glaubte sie noch an eine schwerwiegende Grippe und sogar noch in den ersten 5 Jahren war sie voller Glaubensmut an die Sache rangegangen, doch nach 5 Jahren hatte es sich „ausgetapfert“.
Und auch heute noch keine Heilung in Sicht, doch die Hoffnung auf wunderbares Eingreifen Gottes hat sie sich erhalten oder wieder geschenkt bekommen…
2. Inhaltsgenau:
Die wesentliche Erkenntnis aus diesem Buch für mich als engagiertem Theologen und Verfechter, auch für Kranke zu beten, war verblüffend: Es gibt ein Leben jenseits der gesellschaftlich diktierten Erfolgs-Biografie, ein Leben umgeben von Schmerzen, ein Leben mit ständigem Bewußtsein der Grenzen. Es gibt dieses Leben so Frauke als „abenteuerliches“, „volles“ und lebensfrohes Leben.
3. gut gewürzt:
Macht es ihr Humor, mit dem z.B. sie bissig, aber treffend die Heilungsgebetsszene mit wenigen Strichen karrikiert, und im nächsten Satz sich dennoch zu ihrem Glauben an einen Gott, der heilt bekennt.
Oder sind es ihre kräftigen Bilder – allein der Schmetterling im Käfig, wobei der Schmetterling für ihre Sehnsucht nach Lebendigkeit, ihre Identität und der Käfig für die einengende Erfahrung der Krankheit steht– die mich direkt erreichen?
Ich habe nun schon einige Bücher über Krankheit und Heilung und die Dimension des Glaubens gelesen, aber dieses ist eines, das ich sofort jedem Noch-Nichtchristen in die Hand drücken würde. Mit gutem Gewissen. Gerade die Perspektive der chronischen Krankheit macht es so glaubwürdig.Dabei schreibt Frauke überhaupt nicht im Selbsthilfegruppen- oder Betroffenheitsjargon, sondern oft aus einer sachlichen, informierten und doch sehr verständlichen Perspektive. In guter Dosierung wechseln Erfahrungsskizzen mit handfester Information.

4. ausbalanziert: Lebenshilfe und Glaubenshilfe!
Gelungen auch die theologische Ausgewogenheit. Hauptsatz: Stecke Gott nur nicht in eine Schublade.
Erstaunt war ich auch als Gerth Medien-geübter Leser (hier tummeln sich oft die Übersetzungen aus dem think-positiv-Amerika und mit charismatischer Frömmigkeit getränkte Erfahrungstheologie…), dass sich Kapitelweise kein einziges Bibelzitat aufdrängte. Nein. Statt dessen kurze, anregende Gedichte, prägnante Fragen am Ende der Kapitel, hilfreiche Adressenlisten und unfromme, aber einleuchtende Tipps zur Alltagsbewältigung aus eigener Erfahrung.
Äußerst angenehm auch die persönliche Ehrlichkeit der Autorin, wo sie theoretisch kompetent und wo sie als „Betroffene“ ihre Weisheit der Erfahrung einzubringen hat.

5. Überzeugend durch Sprachfähigkeit:
Fraukes Sprache ist verständlich (entspricht den Schulz von Thunschen Verständlichkeitsregeln), die Gliederung einfach und überschaubar, die Themen alle in Kürze und Prägnanz vorbildlich (wie gesagt, ich habe schon alle möglichen Heilungsbücher gelesen und wollte nicht noch einmal alles durchkauen) und durch anregende Zusätze mit Zitaten und Stories gewürzt.

Dabei hat sie theologisch alle heißen Eisen schlicht und verständlich für Noch-Nichtchristen angepackt (Leid und Hiob, Heilung und Gebet, eschatologischer Vorbehalt, christliche Blüten des Wunderhypes).

6. Sorgfältig lektoriert:
Dankbar war ich auch für das rahmende Vorwort von Dr. Georg Schiffner, dem 1. Vorsitzenden von „Christen im Gesundheitswesen“, was durch die biografische Verbindung mit der Autorin noch glaubwürdiger wurde. Warum? Weil hier ein überzeugendes Konzept von engagierten Christen aufleuchtete und der Meinung von Frauke einen konzeptionellen und personellen Hintergrund gibt, was beiden – der Autorin wie der Organisation Christen im Gesundheitswesen– dient. Danke für diese exemplarische Perspektive, die zugleich zur Nachahmung ermuntert.

Gute Grafiken, Zusammenfassungen und bildhalfte Elemente!
Gute Quellenverweise und Literaturhinweise helfen, weiter zu stöbern für Wissensdurstige…

6. gelungene Anstöße für meine Gemeindpraxis:
Als Gemeindepfarrer möchte ich den chronisch Kranken unserer Stadt dieses Buch wärmstens empfehlen und am liebsten mit unserer Gemeinde einen Ort schaffen, wo solche Menschen Aufnahme, Verständnis und Hoffnung zur ganzheitlichen Heilung finden. Spätestens wenn unsere Gemeinde ihren Heilungsdienst ausweitet (und das sollte baldmöglichst geschehen), werde ich das Buch zur Pflichtlektüre für alle Mitarbeitenden einführen. Yes!
• Mit Hilfe dieses Buches werden sie Respekt vor allen chronische Kranken und ihren Empfindungen lernen und
• das christliche Heilungsangebot mit der gebotenen Rücksicht und Weitsicht nahe bringen.
• Denn die letzte Heilung wird erst im Himmel gewährt, wenn alle Tränen getrocknet und alle Schmerzen gestillt sind. Doch zuvor müssen alle mitten in den Schmerzen ein möglichst sinnvolles und beschenktes Leben finden, dazu können Christen hervorragend beitragen.
Danke Frauke! Gottes Segen in deinen Grenzen und über deine Grenzen hinaus.

 

UPDATE: Auflage 2, 2013 (Pulsmedien):

Im Vorwort zur neuen Auflage heißt es:

„So ist die Aufbruchstimmung von damals („Yeah, auch Leben mit Krankehit kann sinnerfüllt sein!“) einer gewissen Nüchternheit gewichen. „Hingezogene Hoffnung macht das Herz krank“ (Sprüche 13,12). Mein Kampfgeist war schon mal größer. Doch die Hoffnung bleibt – auf Fortschritt in der Medizin und noch mehr auf Gott, dass er mein Leben neu mit Vision erfüllt. Und die Erfahrung bleibt, dass er mir immer wieder innere Flügel verleiht…“

Diese abgeklärte Einleitung verspricht Gutes. Zusätzlich kommen neue Adressen und kleine Überarbeitungen in einigen Kapiteln zum Tragen.

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